616 BGB Arbeitsvertrag regelt deinen Anspruch auf Lohn trotz kurzfristiger Abwesenheit. Aber wann gilt das – und wann nicht? Beispiele, Ausnahmen, Formulierungen: Lies das unbedingt, bevor du deinen Vertrag unterschreibst!

Voraussetzungen für § 616 BGB
Persönliche Verhinderungsgründe
Krankheit und § 616 BGB
Kurzfristige Erkrankung ohne Attest
Niemand ist vor einer plötzlichen Erkältung oder einem Migräneanfall sicher. Genau für solche Situationen existiert § 616 BGB. Der Paragraf schützt Beschäftigte, wenn sie für eine sehr kurze Zeit aus persönlichen Gründen nicht arbeiten können – zum Beispiel wegen einer leichten Erkrankung, die nicht einmal ein ärztliches Attest rechtfertigt. Was viele nicht wissen: Der Arbeitgeber muss in solchen Fällen trotzdem zahlen, sofern der Arbeitsvertrag § 616 nicht ausdrücklich ausschließt. Das klingt fair, oder?
In der Realität greifen viele Arbeitnehmer auf ihre Urlaubstage zurück, weil sie nicht wissen, dass ihnen dieser Schutz zusteht. Ein Leser hat mir mal geschrieben, er habe drei Tage mit starker Migräne gefehlt und Urlaub genommen – völlig unnötig, wie sich später herausstellte. Genau deshalb lohnt sich ein genauer Blick in den Vertrag.
Unterschied zur Entgeltfortzahlung
Krank ist krank? Nicht ganz. Denn es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen § 616 BGB und der Entgeltfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG). Während das EFZG erst nach dem vierten Tag mit ärztlicher Bescheinigung greift und für längere Krankheiten gedacht ist, zielt § 616 auf sehr kurzfristige, persönliche Ausfälle. Es ist eine Art Mini-Schonfrist – bezahlt und ohne bürokratischen Aufwand. Aber Achtung: Diese Schonfrist gilt nur, wenn sie nicht ausgeschlossen wurde. Und das ist in der Praxis gar nicht so selten der Fall.
Familiäre Ereignisse als Sonderurlaub
Sonderurlaub für Beerdigung
Der Tod eines nahen Angehörigen ist nicht nur emotional belastend, sondern bringt auch viele organisatorische Aufgaben mit sich. In genau solchen Momenten greift § 616 BGB. Wer zur Beerdigung seiner Eltern, Geschwister oder Kinder reisen muss, hat Anspruch auf bezahlte Freistellung – zumindest theoretisch. Denn auch hier gilt: Nur wenn der Vertrag den Paragrafen nicht ausschließt, besteht ein Anspruch.
Ich erinnere mich an eine Leserin, die ihre Arbeitgeberin um einen Tag Sonderurlaub für die Beerdigung ihrer Oma bat. Sie bekam stattdessen die Antwort: „Nehmen Sie bitte Urlaub oder Überstunden.“ Das war formal rechtens, aber menschlich enttäuschend. Und es zeigt: Wer seine Rechte nicht kennt, verzichtet leise.
Hochzeit als Verhinderungsgrund
Klingt fast zu schön, um wahr zu sein: Man heiratet – und bekommt dafür einen Tag bezahlt frei. Doch tatsächlich erkennt die Rechtsprechung die eigene Hochzeit als sogenannten persönlichen Verhinderungsgrund an. Natürlich nur, wenn sie einmalig, vorhersehbar und nicht auf einen arbeitsfreien Tag gelegt wurde. Wer also an einem Freitag standesamtlich heiratet, kann – bei nicht ausgeschlossenem § 616 – auf einen bezahlten Tag hoffen.
Auch die Hochzeit der eigenen Kinder oder Geschwister wurde in Einzelfällen als Grund anerkannt. Aber Vorsicht: Das ist kein Automatismus, sondern hängt stark vom Einzelfall und der Unternehmenskultur ab.
Gerichtstermine und Ehrenamt
Zeugenpflicht vor Gericht
Man wird vorgeladen, ohne dass man etwas dafür kann – als Zeuge in einem Gerichtsverfahren. Genau das ist ein Paradebeispiel für einen anerkannten Grund unter § 616 BGB. Wer als Zeuge erscheinen muss, darf seiner Arbeit fernbleiben und muss trotzdem bezahlt werden. Immer unter der Voraussetzung, dass der Verhinderungszeitraum kurz ist und keine grobe Pflichtverletzung vorliegt.
Die Rechtsprechung sieht die Zeugenpflicht als staatsbürgerliche Pflicht an. Der Arbeitnehmer kann sich ihr nicht entziehen, und der Arbeitgeber muss das akzeptieren. Ein Leser erzählte mir, dass sein Arbeitgeber ihm trotzdem einen Tag Urlaub abziehen wollte – erst als er den Gesetzestext vorlegte, wurde der Fehler eingesehen.
Feuerwehr- oder THW-Einsatz
Manche Menschen engagieren sich freiwillig für die Gesellschaft – etwa bei der Feuerwehr oder beim Technischen Hilfswerk (THW). Und wenn genau in der Arbeitszeit ein Einsatz stattfindet? Auch hier hilft § 616 BGB. Wer plötzlich zum Einsatz gerufen wird und dem Staat dient, kann in vielen Fällen auf eine Freistellung mit Lohnzahlung hoffen.
Voraussetzung ist, dass es sich um einen unaufschiebbaren Einsatz handelt. Eine freiwillige Übung am Wochenende fällt in der Regel nicht darunter. Aber im Ernstfall – z. B. bei Hochwasser oder Bränden – springt der Staat durch diesen Paragrafen in die Bresche. Übrigens: Viele Arbeitgeber begrüßen dieses Engagement und finden individuelle Lösungen – aber verlassen sollte man sich darauf nicht.
Dauer der Verhinderung im Sinne des Gesetzes
Was bedeutet “verhältnismäßig kurz”?
Gerichtliche Auslegung der Dauer
Was ist eigentlich “kurz”? Ein Tag? Zwei? Oder vielleicht eine Woche? Die Gerichte haben sich mit dieser Frage mehrfach beschäftigt und eine gewisse Faustregel etabliert: Drei bis fünf Kalendertage gelten in der Regel als “verhältnismäßig kurz”. Dabei kommt es aber immer auf den Einzelfall an.
Ein Richter am Landesarbeitsgericht Berlin erklärte in einem Urteil, dass auch zwei Tage bei einer Zeugenvernehmung zulässig seien, solange sie aufeinander folgen und der Zusammenhang klar sei. Klingt schwammig? Ist es auch. Genau deshalb ist die vertragliche Regelung so wichtig.
Praxisbeispiele aus der Rechtsprechung
In der Praxis hat sich gezeigt, dass Gerichte recht großzügig urteilen, wenn der Anlass nachvollziehbar und dokumentiert ist. Eine Arbeitnehmerin, die wegen eines Notfalls ins Krankenhaus musste, fehlte zwei Tage. Der Arbeitgeber wollte die Bezahlung verweigern – das Gericht sah das anders. Entscheidend war, dass sie nachweislich keine Schuld traf und die Dauer überschaubar blieb.
In einem anderen Fall erkannte ein Gericht sogar eine kurzfristige Therapie als gerechtfertigten Ausfall an – allerdings nur für einen Tag. Deutlich wurde dabei: Je klarer der Anlass und je kürzer die Abwesenheit, desto höher die Chancen, dass § 616 greift.
Unterschiede zu § 3 EFZG Entgeltfortzahlung
§ 616 BGB vs. Lohnfortzahlungsgesetz
Viele werfen § 616 BGB und das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) in einen Topf – aber das ist ein Fehler. Denn während das EFZG bei Krankheit nach sechs Wochen endet und bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein müssen (z. B. ärztliches Attest, vorherige Beschäftigungsdauer), greift § 616 viel früher – oft schon ab dem ersten Tag.
Außerdem geht es bei § 616 nicht nur um Krankheit. Auch familiäre Ereignisse oder gesetzliche Pflichten können Auslöser sein. Er ist also breiter aufgestellt – aber auch leichter auszuschließen. Deshalb verdient er besondere Beachtung.
Erkennbare Überschneidungen in der Praxis
Natürlich gibt es Schnittmengen. Wenn jemand z. B. krank ist, aber noch keine Krankschreibung hat – dann könnte § 616 für die ersten Tage gelten und das EFZG erst danach. Genau hier passieren viele Fehler: Manche Arbeitgeber zahlen gar nichts, weil sie meinen, es gäbe keine Pflicht. Andere verlassen sich auf Kulanz – die aber nicht garantiert ist.
Ein guter Tipp: Wer krank ist, sollte ab dem ersten Tag dokumentieren, was passiert ist – auch ohne Attest. Und wer Arbeitgeber ist, sollte genau prüfen, ob der Vertrag klar genug formuliert ist. Denn Unsicherheit kostet am Ende immer Vertrauen.
Kein Verschulden des Arbeitnehmers
Relevanz für § 616 BGB Anwendung
Kein Anspruch bei Selbstverschulden
Ein Punkt, der oft übersehen wird: § 616 greift nur, wenn den Arbeitnehmer keine Schuld trifft. Wer etwa absichtlich zu spät kommt, weil er die Nacht durchgefeiert hat, kann sich nicht auf den Paragrafen berufen. Das klingt selbstverständlich – doch in arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen wird genau hier gestritten.
Ein bekanntes Beispiel: Ein Mitarbeiter verpasste seinen Zug, weil er zu spät losfuhr – und kam erst am Folgetag zur Arbeit. Der Arbeitgeber verweigerte die Bezahlung, das Gericht gab ihm recht. Die Begründung: Die Verspätung war vermeidbar. Und damit ist der Schutz des § 616 weg.
Abgrenzung zur groben Fahrlässigkeit
Aber wie sieht’s mit Fehlern aus, die nicht ganz so schlimm sind? Grobe Fahrlässigkeit – also wenn man hätte wissen müssen, dass etwas schiefläuft, aber trotzdem nichts dagegen tut – kann ebenfalls zum Ausschluss des Anspruchs führen.
Ein Beispiel: Wer bei Glatteis mit Sommerreifen zur Arbeit fährt und einen Unfall baut, hat im Zweifel keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung nach § 616. Die Gerichte erwarten hier gesunden Menschenverstand. Es geht nicht um Perfektion, sondern um Zumutbarkeit. Und ja, da liegt oft ein schmaler Grat.
Rechtssichere Kündigung durch Arbeitnehmer 👆Anwendung in Arbeitsverträgen
Geltung ohne ausdrückliche Erwähnung
§ 616 BGB automatisch Bestandteil
Stillschweigende Einbeziehung im Vertrag
Was viele nicht ahnen: § 616 BGB gilt auch dann, wenn er im Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich erwähnt wird. Einfach so. Der Gesetzgeber betrachtet bestimmte Normen als “dispositiv”, das heißt: Sie sind automatisch anwendbar, solange nichts anderes vereinbart wurde. Und genau hier liegt das Problem – oder die Chance, je nach Perspektive.
Eine Bekannte von mir, die in einem kleinen Familienbetrieb arbeitet, hatte nie von diesem Paragraphen gehört. Ihr Vertrag war nur eine Seite lang, ohne einen einzigen Satz zu Sonderurlaub oder Lohnfortzahlung bei persönlichen Gründen. Und trotzdem hätte sie sich auf § 616 berufen können – hätte sie ihn gekannt. Unglaublich, oder?
Gesetzliche Grundlage ohne Erwähnung
Juristisch gesehen basiert die automatische Gültigkeit auf der Systematik des BGB: § 616 ist Teil des Dienstvertragsrechts, das auch für Arbeitsverhältnisse gilt. Die Gerichte sehen ihn als sogenannte Auffangregelung – also als Basis, wenn keine anderen Regelungen getroffen wurden.
Die Krux: Sobald eine vertragliche Abweichung vorliegt, verliert der Paragraf seine Wirkung. Das bedeutet, dass in der Praxis zwar viele glauben, sie seien durch das Gesetz geschützt – aber eine kleine Klausel im Vertrag kann diesen Schutz aushebeln. Es lohnt sich also, das Kleingedruckte zu lesen. Wirklich!
616 BGB ausgeschlossen Bedeutung
Was bedeutet Ausschluss konkret?
Vertraglicher Ausschluss durch Klausel
Immer häufiger liest man in Arbeitsverträgen einen kleinen Satz wie: “§ 616 BGB findet keine Anwendung.” Auf den ersten Blick harmlos, aber juristisch hat das enorme Auswirkungen. Denn mit genau dieser Formulierung wird die Lohnfortzahlung bei kurzfristiger Abwesenheit aus persönlichen Gründen vertraglich ausgeschlossen.
Dieser Ausschluss ist zulässig – aber nur, wenn er klar und unmissverständlich formuliert ist. Wenn der Arbeitgeber jedoch schwammige oder widersprüchliche Formulierungen verwendet, kann der Ausschluss im Zweifel unwirksam sein. Das hat sogar das Bundesarbeitsgericht schon so entschieden.
Auswirkungen für Arbeitnehmerrechte
Für Beschäftigte bedeutet ein Ausschluss vor allem eins: Kein Geld im Fall einer kurzfristigen Verhinderung. Ob es sich um eine Beerdigung handelt, eine eigene Hochzeit oder einen plötzlichen Notfall – wer sich auf § 616 verlassen wollte, steht plötzlich mit leerem Portemonnaie da.
Besonders tückisch: Die meisten merken es erst, wenn es zu spät ist. Eine Freundin musste wegen eines Trauerfalls drei Tage fehlen – ohne Entgelt. Erst danach las sie ihren Vertrag genauer. Die bittere Erkenntnis kam zu spät. Und genau das macht diese Klausel so gefährlich: Ihre Wirkung entfaltet sich oft erst im Ernstfall.
Arbeitsvertrag 616 BGB ausgeschlossen Muster
Beispiel für wirksame Ausschlussklausel
Ein häufig verwendeter Textbaustein in Arbeitsverträgen lautet: „Eine Vergütungspflicht des Arbeitgebers bei einer persönlichen, unverschuldeten Verhinderung im Sinne von § 616 BGB besteht nicht.“ Das ist eindeutig – und damit rechtswirksam. Wer so etwas im Vertrag findet, sollte sich der Konsequenzen bewusst sein.
Wichtig ist auch: Diese Klausel muss nicht lang oder kompliziert sein. Ein einziger Satz reicht – solange er deutlich macht, dass der § 616 ausgeschlossen ist. Besonders in Branchen mit hoher Personalfluktuation oder bei Minijobs ist diese Formulierung fast schon Standard geworden.
Formulierungsvorschläge für Arbeitgeber
Für Arbeitgeber, die den § 616 ausschließen wollen, empfehlen Fachanwälte kurze und präzise Formulierungen. Dabei sollte auch geprüft werden, ob es innerbetriebliche Alternativen gibt – etwa über Kulanzregelungen oder eine Betriebsvereinbarung.
Ein fairer Ansatz könnte sein: „Abweichend von § 616 BGB erfolgt bei persönlicher Verhinderung keine Vergütung. In Einzelfällen kann eine bezahlte Freistellung durch den Arbeitgeber gewährt werden.“ So bleibt eine menschliche Komponente erhalten – ohne rechtliche Verpflichtung.
616 BGB ausschließen Nachteile Arbeitnehmer
Wegfall von bezahltem Sonderurlaub
Kein Lohn bei kurzfristiger Abwesenheit
Die größte Konsequenz bei Ausschluss des § 616 BGB ist offensichtlich: Wer nicht arbeitet, bekommt kein Geld. Auch dann nicht, wenn der Grund noch so nachvollziehbar ist. Diese Lücke spürt man vor allem in emotional angespannten Situationen – wenn z. B. die Großmutter stirbt oder das eigene Kind plötzlich ins Krankenhaus muss.
Viele Angestellte glauben, sie seien in solchen Fällen durch das Gesetz geschützt. Doch der Schutz endet, wenn der Vertrag ihn ausschließt. Und dann heißt es plötzlich: unbezahlte Freistellung oder Urlaub nehmen. Wer das nicht vorher weiß, ist oft völlig überrumpelt.
Nachteile in Notfällen oder bei Krankheit
Man stelle sich vor: Eine Arbeitnehmerin wacht mit hohem Fieber auf, kann aber nicht direkt zum Arzt gehen. Ein Tag fehlt – ohne Attest. Früher hätte § 616 für diesen einen Tag gegriffen. Heute? Fehlanzeige. Denn mit Ausschluss des Paragraphen entfällt auch diese kleine Sicherheit.
Gerade bei kurzfristigen Notfällen, bei denen eine Krankschreibung (noch) nicht möglich ist, zeigt sich, wie relevant dieser Paragraf sein kann. Sein Fehlen ist kein theoretisches Problem – sondern betrifft echte Lebenssituationen.
Alternative Regelungen im Vertrag
Kulanzlösungen durch Arbeitgeber
Nicht alle Arbeitgeber nutzen die Vertragsfreiheit schamlos aus. Viele bieten freiwillig Kulanzregelungen an. Etwa, dass ein Tag Sonderurlaub pro Jahr auch ohne Nachweis möglich ist – oder dass bestimmte familiäre Ereignisse honoriert werden. Doch eines sollte klar sein: Kulanz ist kein Recht.
Ich habe schon erlebt, dass Mitarbeitende dachten, sie könnten sich auf “das Übliche” verlassen. Doch als der Chef wechselte, änderten sich die Spielregeln – und plötzlich gab es nicht mal mehr unbezahlten Urlaub. Was einmal Kulanz war, war nun verschwunden.
Verweis auf betriebliche Übung
Ein interessanter Sonderfall: Wenn ein Arbeitgeber über Jahre hinweg bei persönlichen Verhinderungen immer gezahlt hat, kann daraus eine sogenannte betriebliche Übung entstehen. Das bedeutet: Selbst ohne Vertrag entsteht eine rechtliche Erwartung.
Aber das ist heikel. Denn schon eine einzige Änderung – z. B. durch einen neuen Chef oder ein Rundschreiben – kann diese Übung beenden. Verlassen sollte man sich also besser nicht darauf. Ein vertraglich gesicherter Anspruch ist in jedem Fall die sicherere Variante.
Tarifliche und gesetzliche Abweichungen
Abweichungen durch Tarifvertrag
Tarifliche Sonderurlaubsregelungen
In vielen Tarifverträgen wird § 616 BGB bewusst modifiziert oder ersetzt. So gibt es beispielsweise Branchen, in denen bestimmte Anlässe explizit geregelt sind: Zwei Tage für eine Hochzeit, ein Tag für einen Umzug, drei Tage bei Todesfall in der Familie. Diese Regelungen gelten dann vorrangig – auch wenn sie vom BGB abweichen.
Der Vorteil: Es herrscht Klarheit. Der Nachteil? Nicht jeder Betrieb unterliegt einem Tarifvertrag. Und selbst innerhalb einer Branche können die Bedingungen stark variieren.
Branchenbezogene Besonderheiten
Besonders im öffentlichen Dienst oder im Gesundheitswesen findet man detaillierte Sonderurlaubsregelungen, die weit über den Rahmen des § 616 hinausgehen. Wer dort arbeitet, hat oft bessere Karten – zumindest auf dem Papier.
Doch selbst in diesen Branchen gibt es Ausschlussklauseln, die den gesetzlichen Rahmen enger ziehen. Deshalb gilt auch hier: prüfen, prüfen, prüfen! Der Vertrag ist letztlich entscheidend, nicht das Bauchgefühl.
Paragraph 616 BGB einfach erklärt
Rechtlicher Hintergrund kurz gefasst
§ 616 BGB regelt, dass ein Arbeitnehmer auch dann Anspruch auf Lohn hat, wenn er für eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ aus persönlichen Gründen fehlt – und das unverschuldet. Er stammt aus einer Zeit, in der Arbeitsverhältnisse noch auf Handschlag galten. Heute ist er oft übersehen – oder bewusst ausgeschlossen.
Der Paragraf ist dispositiv. Das bedeutet: Er kann durch Vertrag verändert oder ganz ausgeschlossen werden. Genau das passiert in der Praxis sehr häufig.
Bedeutung für die Praxis im Alltag
In der Realität ist § 616 BGB so etwas wie ein stiller Helfer – der aber oft keine Chance bekommt. Weil Verträge ihn ausschließen, weil Mitarbeitende ihn nicht kennen oder weil sich niemand traut, ihn einzufordern.
Dabei geht es um mehr als ein paar Euro. Es geht um Sicherheit in Ausnahmesituationen. Um Menschlichkeit im Arbeitsleben. Und um die Frage, ob ein Arbeitsvertrag wirklich nur aus Pflichten besteht – oder auch aus Schutzmechanismen.
Praxisfälle und rechtliche Streitfragen
616 BGB Beispiele aus der Praxis
Typische Anwendungsfälle im Betrieb
Geburt des Kindes während der Arbeitszeit
Wenn das eigene Kind zur Welt kommt – ein Moment, der alles verändert. Aber was ist mit dem Job, wenn die Geburt mitten in die Arbeitszeit fällt? Genau hier kann § 616 BGB relevant werden. Er ermöglicht eine bezahlte Freistellung für diesen einmaligen, tief persönlichen Anlass. Natürlich nur dann, wenn der Arbeitsvertrag den Paragraphen nicht ausdrücklich ausschließt.
Ein Leser hat berichtet, dass er von der Arbeit losfuhr, nachdem seine Partnerin plötzlich Wehen bekam. Sein Chef war verständnisvoll, aber am Monatsende fehlte ein ganzer Tag auf der Lohnabrechnung. Begründung: Vertraglich sei § 616 ausgeschlossen. Es war ein bitterer Moment, der zeigt, wie schnell eine persönliche Ausnahmesituation zum finanziellen Nachteil werden kann.
Gerichtstermin während der Arbeitszeit
Eine Gerichtsvorladung ist keine Option – sie ist Pflicht. Wenn man als Zeuge geladen wird, kann man sich nicht einfach entschuldigen. Doch wie sieht es mit dem Lohn aus, wenn der Termin mitten in der Arbeitszeit liegt? Der Gesetzgeber hat mit § 616 BGB genau für diesen Fall eine Regelung geschaffen: Die Lohnfortzahlung bleibt erhalten, sofern keine schuldhafte Verhinderung vorliegt und der Vertrag den Anspruch nicht ausschließt.
Es gibt Gerichtsurteile, die das bestätigen. Aber auch Fälle, in denen Arbeitgeber argumentieren, dass es sich um “Privatsache” handele. In solchen Momenten ist es entscheidend, ob die arbeitsvertragliche Regelung überhaupt noch Raum für § 616 lässt – oder ob er klammheimlich ausgeschlossen wurde.
Unklare Fälle bei Krankheit und Pflege
Pflege naher Angehöriger
Plötzlich ruft das Krankenhaus an – die Mutter hatte einen Schlaganfall. Man muss hin, sofort. Keine Pflegefreistellung beantragt, keine Zeit für offizielle Wege. Solche Notfälle gehören zur Realität vieler Beschäftigter. Und sie sind genau die Situationen, in denen § 616 eine Brücke schlagen kann – zwischen Arbeitsrecht und Menschlichkeit.
Voraussetzung ist allerdings, dass es sich wirklich um einen kurzfristigen, einmaligen Ausnahmefall handelt. Und dass der Arbeitgeber nicht vertraglich bereits jegliche Lohnfortzahlung in solchen Situationen ausgeschlossen hat. Der Spielraum ist also da – aber fragil.
Krankmeldung ohne AU-Bescheinigung
Es passiert schnell: Man fühlt sich krank, bleibt einen Tag zu Hause, denkt sich nichts weiter dabei – bis die Lohnabrechnung kommt. Kein Attest, kein Geld. Dabei war doch § 616 genau dafür gedacht: für ganz kurze, unverschuldete Verhinderungen, bei denen eine Krankschreibung gar nicht nötig ist.
Doch auch hier gilt wieder: Nur wenn der Vertrag nicht dagegen spricht. Inzwischen schließen viele Arbeitgeber den Paragraphen explizit aus – und damit verschwindet auch dieser kleine, aber wichtige Schutzmechanismus. Die Folge: Wer sich nicht gut auskennt, wird doppelt bestraft – gesundheitlich und finanziell.
Gerichtliche Entscheidungen zu § 616 BGB
BAG-Urteile zur Auslegung des Begriffs
Bedeutung von “unerheblich kurz”
Der Begriff „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ ist alles andere als klar. Wie kurz ist „kurz genug“? Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat hierzu mehrfach Stellung genommen. In einem Urteil aus dem Jahr 2019 wurde zum Beispiel entschieden, dass zwei bis drei Tage durchaus als „unerheblich kurz“ gelten können – vorausgesetzt, der Anlass ist nachvollziehbar und der Arbeitnehmer trifft keine Schuld.
Diese Urteile geben Orientierung, aber keine absolute Sicherheit. Denn es bleibt eine Frage der Verhältnismäßigkeit, die immer im Kontext des Einzelfalls gesehen werden muss. Und das macht es für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer gleichermaßen kompliziert.
Verweigerung trotz gesetzlicher Grundlage
Trotz gesetzlicher Regelung und klarer Rechtsprechung kommt es immer wieder vor, dass Arbeitgeber die Lohnfortzahlung verweigern. Ein Fall aus Hessen zeigt das deutlich: Ein Mitarbeiter wurde zu einem Gerichtstermin geladen, blieb einen Tag der Arbeit fern – und erhielt dafür keinen Lohn. Erst nach Einschalten eines Anwalts und unter Berufung auf § 616 bekam er sein Geld.
Das zeigt: Auch wenn der Paragraf existiert, muss er aktiv eingefordert werden. Und genau da liegt die Schwäche des Systems – es schützt nur, wer ihn kennt und durchsetzen kann.
Instanzrechtsprechung im Detail
Länderspezifische Auslegungen
Interessant ist, dass die Auslegung von § 616 BGB regional variieren kann. Arbeitsgerichte in Bayern haben andere Schwerpunkte gesetzt als etwa in Berlin oder Hamburg. Während in manchen Urteilen schon ein halber Tag als zu lang galt, zeigten sich andere Gerichte großzügiger.
Diese Unterschiede sind für Laien kaum nachzuvollziehen – und sie machen es umso wichtiger, sich frühzeitig rechtlich beraten zu lassen. Gerade wenn es um emotionale Ausnahmefälle wie eine Beerdigung oder einen medizinischen Notfall geht.
Einfluss von Betriebsvereinbarungen
Betriebsvereinbarungen können die Anwendung von § 616 BGB ebenfalls stark beeinflussen. Manche Unternehmen regeln darin explizit, wann Lohnfortzahlung gewährt wird – und wann nicht. In solchen Fällen verdrängt die Betriebsvereinbarung das Gesetz. Das ist rechtlich zulässig, solange sie nicht gegen höherrangiges Recht verstößt.
Ein Beispiel aus der Praxis: In einem Großbetrieb wurde festgelegt, dass nur maximal ein Tag Sonderurlaub pro Jahr bezahlt wird – unabhängig vom Anlass. Ein Arbeitnehmer klagte, verlor aber, weil die Betriebsvereinbarung formal korrekt war. Das unterstreicht, wie mächtig interne Regelwerke sein können – und wie leicht sie übersehen werden.
Handlungsempfehlungen zur Vertragspraxis
Für Arbeitgeber: Klarheit im Vertrag
Transparente Vertragsgestaltung
Verträge sollten nicht nur rechtlich korrekt, sondern auch verständlich sein. Ein klar formulierter Ausschluss oder eine transparente Sonderurlaubsregelung hilft, Konflikte zu vermeiden. Viele Streitigkeiten rund um § 616 entstehen nur deshalb, weil Unklarheit herrscht – auf beiden Seiten.
Wer als Arbeitgeber Verantwortung zeigt, benennt die Bedingungen für Sonderfreistellungen offen im Vertrag. So können beide Parteien planen – und im Ernstfall schnell und fair handeln. Das schafft Vertrauen und spart am Ende Nerven und Kosten.
Einheitliche Regelung im Betrieb
Einheitlichkeit ist Gold wert. Wenn in einem Team jemand Lohnfortzahlung erhält und der andere nicht – bei gleichem Anlass –, entsteht Frust. Deshalb sollten Arbeitgeber dafür sorgen, dass Regelungen zu § 616 oder zu alternativen Freistellungen betrieblich einheitlich gelten.
Das geht am besten über Betriebsvereinbarungen oder klare Richtlinien im Mitarbeiterhandbuch. Wer hier Klartext spricht, verhindert Missverständnisse – und signalisiert Wertschätzung.
Für Arbeitnehmer: Rechte kennen
Vertragsprüfung vor Unterzeichnung
Klingt langweilig, ist aber essenziell: den Arbeitsvertrag lesen – und zwar genau. Viele Menschen unterschreiben blind, vertrauen auf den guten Eindruck im Bewerbungsgespräch. Doch genau da verstecken sich oft die Ausschlussklauseln, die später teuer werden.
Ein einfacher Satz wie „§ 616 BGB findet keine Anwendung“ kann im entscheidenden Moment den Unterschied machen – zwischen bezahlt und unbezahlt. Wer das vorher weiß, kann verhandeln oder sich zumindest bewusst entscheiden.
Beratung bei Ausschlussklauseln
Wenn man sich unsicher ist, lohnt sich der Gang zur Rechtsberatung – unbedingt vor der Unterschrift. Auch Gewerkschaften oder Arbeitsrechtskanzleien bieten oft kostenlose Ersteinschätzungen an.
In einem Fall berichtete mir ein Leser, dass er bei Vertragsunterzeichnung eine solche Klausel entdeckt und hinterfragt hat. Der Arbeitgeber war überrascht – aber offen. Am Ende wurde die Klausel gestrichen. Mut lohnt sich also. Man muss nur wissen, wo man hinschauen muss.
Fazit
§ 616 BGB ist kein Relikt aus alten Zeiten – er ist ein leiser, aber bedeutsamer Schutzmechanismus im modernen Arbeitsrecht. Er bewahrt Arbeitnehmer davor, in menschlich unvermeidbaren Situationen auch noch finanziell bestraft zu werden. Ob Geburt, Beerdigung oder plötzliche Krankheit: Das Gesetz erkennt an, dass das Leben nicht immer planbar ist. Doch dieser Schutz gilt nur, wenn er im Arbeitsvertrag nicht ausgeschlossen wurde. Genau deshalb lohnt es sich, jedes Detail zu prüfen – bevor man unterschreibt. Für Arbeitgeber wiederum ist Transparenz entscheidend. Wer § 616 klar regelt, schafft Vertrauen und vermeidet Missverständnisse. Kurz gesagt: Dieser kleine Paragraph steht sinnbildlich für Fairness im Berufsalltag – und sollte auch so behandelt werden.
FAQ
Wann gilt § 616 BGB im Arbeitsvertrag überhaupt?
§ 616 BGB gilt automatisch, wenn er nicht ausdrücklich im Vertrag ausgeschlossen wurde. Das bedeutet, dass du auch ohne spezielle Erwähnung Anspruch auf Lohnfortzahlung bei kurzfristiger, unverschuldeter Abwesenheit haben kannst – zum Beispiel bei familiären Ereignissen oder behördlichen Terminen.
Was bedeutet „kurzfristige Abwesenheit“ genau?
Gerichte haben entschieden, dass in der Regel zwei bis fünf Tage als „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ gelten. Entscheidend ist aber immer der konkrete Einzelfall – also wie dringend und wie kurz die Abwesenheit war.
Kann der Arbeitgeber § 616 BGB einfach ausschließen?
Ja, das ist erlaubt. Arbeitgeber dürfen den § 616 BGB im Arbeitsvertrag ausschließen, indem sie eine klare und eindeutige Klausel aufnehmen. Damit entfällt der Anspruch auf Lohnfortzahlung bei kurzfristiger persönlicher Verhinderung.
Was passiert, wenn § 616 BGB ausgeschlossen ist?
Dann musst du bei kurzfristiger Abwesenheit – etwa wegen einer Beerdigung oder eines Arzttermins – selbst aufkommen. Entweder du nimmst unbezahlten Urlaub oder einen regulären Urlaubstag. Daher ist es wichtig, vor Vertragsunterzeichnung nachzusehen, ob der Paragraph enthalten oder ausgeschlossen ist.
Gibt es Alternativen, wenn § 616 BGB ausgeschlossen wurde?
Ja. Manche Arbeitgeber bieten freiwillige Kulanzregelungen an oder verweisen auf betriebliche Übung. Außerdem können Tarifverträge Sonderregelungen enthalten, die teilweise großzügiger sind als das Gesetz selbst.
Zählt Krankheit auch unter § 616 BGB?
Nur, wenn es sich um eine sehr kurzfristige Erkrankung handelt – zum Beispiel ein Tag mit Migräne oder Magenverstimmung. Für längere Krankheitszeiten greift stattdessen das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG).
Bekomme ich Lohn, wenn ich zu einem Gerichtstermin muss?
Ja, sofern du als Zeuge oder Beteiligter geladen bist und die Dauer kurz ist. § 616 BGB schützt dich hier ausdrücklich – es sei denn, dein Arbeitsvertrag schließt diesen Anspruch aus.
Wie wirkt sich § 616 BGB auf Sonderurlaub aus?
Der Paragraph bildet die rechtliche Grundlage für viele Formen von Sonderurlaub – etwa bei Hochzeit, Geburt eines Kindes oder Todesfall in der Familie. Wird er ausgeschlossen, entfällt dieser Anspruch automatisch.
Kann ich § 616 BGB nachträglich geltend machen?
Ja, aber nur, wenn er im Vertrag gilt. Falls du bereits unbezahlt gefehlt hast und später feststellst, dass § 616 BGB anwendbar ist, kannst du den Anspruch rückwirkend geltend machen – am besten schriftlich mit rechtlicher Begründung.
Warum ist § 616 BGB für Arbeitnehmer so wichtig?
Weil er Menschlichkeit ins Arbeitsrecht bringt. Er sorgt dafür, dass jemand, der unverschuldet und nur kurz ausfällt, nicht sofort finanzielle Einbußen erleidet. § 616 BGB im Arbeitsvertrag ist deshalb ein kleines, aber entscheidendes Stück Fairness im Berufsleben.